Journée d'automne 2012

Zusammenfassungen der beiden Workshops an der Herbsttagung 2012

Workshop: Eltern von hämophilen Kindern: sind Schuldgefühle erlaubt?

Am Workshop nahmen rund 30 Personen teil, in der Mehrzahl Eltern, aber auch einige betroffene Jugendliche. Der Fokus des einleitenden Referates betraf zwei Bereiche: Die Entwicklung der Krankheitskonzepte im Kindesalter und den Weg zur Selbstständigkeit in der Adoleszenz mit den möglichen Einflüssen einer chronischen Krankheit auf diesen Prozess.

Das Verständnis eines Kindes für seine Krankheit hängt eng mit seinem kognitiven Entwicklungsstand zusammen. Im Vorschulalter sind die Vorstellungen noch weitgehend an die aktuelle Situation im Hier und Jetzt geknüpft. «Die Spritze tut einfach weh», Hinweise auf spätere Vorteile der Behandlung werden von den Kindern kaum verstanden. Bereits im frühen Schulalter erhalten Krankheit und Therapie eine zunehmende Bedeutung. Die Kinder zeigen jetzt stärkeres Interesse für die Zusammenhänge. Das Verständnis ist aber noch stark an die konkrete Situation geknüpft. Als Jugendlicher nimmt die Abstraktionsfähigkeit soweit zu, dass Gespräche über die Vorteile einer Prävention und die Risiken bei Unterlassung leichter möglich werden. In der Gruppe kam es zu einer spannenden Diskussion, wie man dem Kind die Hämophilie am besten erklären sollte. Einige Eltern benannten sie ihren Kindern gegenüber als Krankheit, während andere den Begriff «Eigenschaft» oder «Einschränkung» bevorzugten.

Bei der Diskussion über die Autonomieentwicklung in der Adoleszenz wurden die Übernahme von Eigenverantwortung und die Einflüsse einer chronischen Krankheit auf die körperliche und seelische Identität genannt. Übernahme von Verantwortung durch das Kind bedeutet immer gleichzeitig Abgabe von Kontrolle durch die Eltern und erfordert Vertrauen von beiden Generationen. Eine chronische Krankheit kann in diesem Prozess ein zusätzliches Band darstellen, das gelöst werden muss. Diese Lösung gelingt in manchen Familien sorgfältig und schrittweise, in anderen nur mit heftigen Konflikten. Auch die Kommunikation mit Lehrerinnen und Lehrern und die manchmal schwierige Gratwanderung zwischen Rücksicht auf die Risiken einerseits und Recht der Kinder auf unbeschwerte Aufnahme in den Klassenverband andererseits, wurden diskutiert.

Der rezessive x-chromosonale Erbgang der Hämophilie A bedeutet für die Mutter die Auseinandersetzung mit der Trägerschaft des verantwortlichen Gens. Im Workshop wurde dieses Thema sehr offen angesprochen. Einige Mütter klagten über Schuldgefühle, besonders wenn in den Familien eine Sündenbockzuweisung erfolgte oder wenn ihr Kinderwunsch bei vorbestehendem Bekanntsein der Trägerschaft in Frage gestellt wurde. Auch wenn solche unreflektierten Schuldzuweisungen sehr fragwürdig erscheinen, ist es wichtig, um die Gefühle der Mütter zu wissen, diese ernst zu nehmen und die Betroffenen in der Auseinandersetzung damit zu unterstützen.

Workshop: Älter werden mit einer Behinderung, wie komme ich zurecht?

Die Art und Weise der Krankheitsbewältigung (englisch: Coping), d.h. der Fähigkeit, bereits bestehende oder zu erwartende Belastungen durch eine Krankheit innerpsychisch (kognitiv und emotional) ausbalancieren und/oder durch zielgerichtetes Handeln meistern zu können, spielt bei vielen chronischen Erkrankungen eine sehr wichtige Rolle. Eine ungünstige Krankheitsbewältigung ist sehr häufig verbunden mit einem schlechteren Verlauf der Erkrankung bezüglich Einschränkungen (Invalidität) aber auch hinsichtlich der Prognose, einer stärkeren psychischen Belastung (Angsterkrankungen und Depression) sowie einer niedrigeren Lebensqualität. Günstige Coping-Strategien sind: Aktives, zupackendes Verhalten, die Fähigkeit soziale Ressourcen zu mobilisieren, eine realistische Einschätzung der Situation und das Akzeptieren unveränderlicher Bedingungen. Krankheitsbewältigung hängt also mit subjektiven Einstellungen und persönlichen Eigenschaften und Fähigkeiten zusammen, die aber auch z.B. im Rahmen einer Psychotherapie verändert werden können.

Die gesundheitsbezogene Lebensqualität ist heute ein wichtiges Mass für eine gute und erfolgreiche medizinische Behandlung. Dafür sind nicht nur medizinische Fakten wichtig, sondern vor allem die subjektive Einschätzung des Patienten über seinen körperlichen und seelischen Gesundheitszustand. Ob die Lebensqualität gut oder schlecht ist, hängt deshalb häufig auch von der Fähigkeit der Betroffenen ab, die Erwartungen an die aktuelle Situation anpassen zu können. Schliesslich wird im Referat auch noch kurz erwähnt, dass schwere oder chronische Erkrankungen - neben vielen Beeinträchtigungen - auch positive persönliche Entwicklungen auslösen können («persönliche Reifung»).