Behandlung der Hämophilie

Regelmässige Kontrollen im Hämophilie-Behandlungszentrum stellen sicher, dass das für den betreffenden Patienten mit Hämophilie am besten geeignete Präparat in der richtigen Dosis und Häufigkeit angewendet wird.

Die Basisbehandlung bei Blutungen des Betroffenen ist die so genannte Substitu­tionstherapie. Mit dieser wird dem Patienten der fehlende Gerinnungsfaktor zugeführt: Faktor VIII bei der Hämophilie A bzw. Faktor IX bei der Hämophilie B. 

Die Dauerbehandlung (Prophylaxe) mit Gerinnungspräparaten oder bispezifischem Antikörper

Zugeführte Gerinnungsfaktoren sind weniger als einen Tag lang im Körper messbar. Um die Blutgerinnung beim Patienten mit schwerer Hämophilie dauerhaft zu verbessern, müssen sie deshalb häufig, meist mehrmals pro Woche verabreicht werden. Über viele Jahre hinweg erfolgte diese Substitutionstherapie nur bei Blutungen als so genannte Bedarfsbehandlung («on demand»). Einerseits waren die Gerinnungsfaktoren nur beschränkt verfügbar, andererseits enthielten sie ein bedeutendes Risiko für die Übertragung von Infektionskrankheiten.

In den vergangenen 20 Jahren indes hat sich – zuerst in den skandinavischen Ländern, später auch in der Schweiz – die so genannte prophylaktische Behandlung mehr und mehr durchgesetzt. Sie hat primär zum Ziel, Gelenksschädigungen zu verhindern und dadurch die Funktion der Gelenke zu erhalten. In der Regel beginnt die prophylaktische Behandlung beim Betroffenen mit schwerer Hämophilie nach der ersten oder zweiten Gelenksblutung resp. im frühen Kleinkindesalter. Bei sehr ausgeprägter Beeinträchtigung kann auch beim mittelschweren Patienten eine regelmässige Prophylaxe angezeigt sein. Der von einer milden Hämophile Betroffene benötigt jedoch nur nach Verletzungen oder bei Operationen eine Behandlung, beispielsweise bei einer Zahnextraktion.

Bispezifischer Antikörper

Das Produkt (Emicizumab) wurde in mehreren Zulassungsstudien bei Patienten mit schwerer Hämophilie A mit und ohne FVIII-Hemmkörper geprüft und ist in der Schweiz seit 2019 zugelassen. Bei dieser Art der Blutungsprophylaxe wird ein entsprechender Antikörper subkutan (unter die Haut) injiziert, der sowohl Faktor IXa als auch Faktor X bindet. Durch die Bindung beider Faktoren wird die Aktivierung von FX verstärkt und die Blutgerinnung beschleunigt. Emicizumab kann wöchentlich, alle zwei Wochen oder alle 4 Wochen subkutan appliziert werden.

Die Verabreichung der Gerinnungspräparate

Intravenös

Die herkömmlichen Gerinnungsfaktoren müssen als Konzentrate intravenös injiziert werden; die Heim-Selbstbehandlung muss anfänglich in engem Kontakt mit dem behandelnden Arzt durchgeführt werden. Sie ermöglicht der Familie und später dem Jugendlichen, ein unabhängiges Leben zu führen. Meistens werden zuerst die Eltern hämophiler Kinder instruiert, später erlernen die Hämophilen selber die Technik der intravenösen Injektion.

Je nach Beschaffenheit der Venen kann bei Kleinkindern am Anfang der Einsatz eines so genannten Port-a-Cath-System erforderlich sein, um eine regelmässige Prophylaxe reibungslos durchführen zu können. Ein «Port» ist – in der Fachsprache – ein implantierbares zentralvenöses Katheterverweilsystem. Dabei wird eine Kammer unter die Haut eingesetzt, meist vor dem grossen Brustmuskel, der mit einem Katheter (=Schlauch) verbunden ist. Dieser wiederum führt in eine grosse Vene, meist die obere Hohlvene. Die Kammer, die aus Metall, Kunststoff oder Keramik bestehen kann, ist mit einer Silikonmembran verschlossen, die mit speziellen Nadeln viele hundert Male durch die Haut punktiert werden kann. Das Port-System kann mehrere Jahre im Körper verbleiben, muss aber regelmässig gespült werden. Bei sorgfältiger Hand­habung funktioniert das Port-System zwar gut, es birgt aber doch immer die Gefahr von Infektionen. Sobald die Venen an Arm und Hand sichere Punktionen zulassen, wird das Port-System wieder entfernt.

Subkutan

Mit den neuen Produkten auf Basis bispezifischer Antikörper kann jedoch subkutan (unter die Haut) verabreicht werden, was wesentlich einfacher ist, da keine Vene punktiert werden muss. Die geeigneten Stellen für die Verabreichung sind Oberschenkel, Bauch oder Oberarm.