Das Krankheitsbild «Hämophilie»

Wenn einer von vielen am Gerinnungsvorgang beteiligten Gerinnungsfaktoren fehlt (im Fall der Hämophilie Faktor VIII oder IX), kann nach der Verletzung eines Blutgefässes kein funktionstüchtiges Blutgerinnsel entstehen. Die Folge davon sind starke, lang anhaltende Blutungen nach Unfällen, Operationen und bei verschiedenen, an sich hämophilie­unabhängigen Krankheiten. Blutungen nach aussen sind sichtbar und können deshalb rasch erkannt und behandelt werden; schwerer wiegen innere Blutungen, am gefürchtetsten sind Gehirnblutungen. Die weitaus häufigsten Blutungen des Hämo­philen erfolgen in die Gelenke und in die Muskulatur. Sie entstehen bei schwerer Hämophilie meistens ohne spürbares Trauma, also ganz von selbst, häufig auch nachts. Besonders betroffen sind Knie-, Ellbogen- und Fussgelenke. Während des Wachstumsalters kommen Gelenk- und Muskelblutungen oft vor, durchschnittlich einmal pro Woche, im Erwachsenenalter dann oft seltener, noch rund zweimal pro Monat.

Die häufig auftretenden Blutungen sind über­­raschende, unvorhersehbare und schmerzhafte Ereignisse, die sogleich der korrekten Behandlung bedürfen. Sie prägen das Krankheitsbild der Hämophilie, setzen den Hämophilen für einige Stunden bis Tage «ausser Gefecht», und belasten den Be­troffenen. Zwischen den Blutungen tritt die Körperbehinderung des Hämophilen kaum oder gar nicht in Erscheinung. Wiederholte Gelenkblutungen zerstören allerdings mit der Zeit wichtige Gelenkstrukturen und führen damit zu dauernder Körperbehinderung mit Schmerzen und Funktionseinbussen ähnlich wie beim Rheumatiker.

Die Hämophilie beeinflusst das Berufs- und Sozialleben, sie erfordert deshalb eine gute Lebensplanung und Verständnis von der Umgebung. Mit persönlicher Reife und Stärke ist sie zu bewältigen.

Leichte Hämophile bluten kaum je spontan, sondern nur nach Verletzungen oder bei Operationen, wobei schon geringfügige Verletzungen oder kleine Eingriffe sehr starke und lange anhaltende Blutungen verursachen können. Aus diesem Grund ist es wichtig, dass auch diese leichteren Blutgerinnungsstörungen bekannt sind und die Patienten entsprechend behandelt werden können. Mittelschwere Hämophile zeigen ein gemischtes Bild mit teilweise spontanen Blutungen, aber auch solchen, die von Verletzungen ausgelöst werden.